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Platte des Monats Juni 2015

Algiers - Algiers [Matador]

Autor(en): Jakob Wihgrab am Freitag, 5. Juni 2015
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Quelle: Matador Records

Algiers - Algiers

Sieh’s mal neo! Nach Neo-Soul kommt Neo-Gospel. Algiers liefern mit ihrem Debütalbum das bisher erfrischendste und kraftvollste Album des Jahres und unsere Platte des Monats Juni.

Ein bedrohliches, tiefes Wabern. Eine stupfe Bass-Drum gefolgt von markanten Claps. Dann gibt ein summender Chor die Melodie vor, ehe Sänger Franklin James Fisher andächtig zu singen beginnt.  Der Opener „Remains“ lässt zunächst nur erahnen was für intensive und teils brachiale 40 Minuten den Hörer auf dem selbstbetitelten Debütalbum von Algiers erwartet. Dann zeigt Fisher doch noch das faszinierende Spektrum seiner Stimme und gibt Gas. Diese Energie nimmt er mit in die nächsten Songs und legt sie so schnell nicht mehr ab. Dort treffen Kraftwerk auf James Brown, der Soul von Jose James auf die Brachialität der Young Fathers.

Die Songs „Claudette“ und „And When You Fall“ sind Schablonen dessen, was die drei Herren aus Georgia versuchen, in ihren Songs zu erschaffen: düstere, unkonventionelle, teils stumpfe Beats, gepaart mit bekannten Stilmitteln des Gospel oder Soul - wie den stehts einprägsamen Chören und Gesangsmelodien und dezent eingesetzten Orgelparts oder Bläsern. Dazu Gitarrenriffs, die eher an den Post-Punk erinnern, oder Beats, die aus dem Krautrock gegriffen sind und auch mal an Kraftwerk erinnern können wie in „Irony. Utility. Pretext“.

Systemkritik par excellence

Ebenso brachial wie ihr Sound sind auch die Themen, denen sich Algiers lyrisch bedienen. Das Leben in Amerika während der Finanzkrise, die Geschehnisse in Ferguson und Baltimore, Polizeigewalt und Rassismus. Das Album ist ein Protestalbum, das hört man an jeder einzelnen Note, an jedem einzelnen gesungenen Wort. Es ist eine Kritik am amerikanischen System und der Gewalt, die es ausübt und zu verantworten hat.  Die erste Single „Blood“ ist eine Abrechnung mit all dieser Gewalt.

Die Platte wird in Gänze vor allem durch den Gesang von Franklin James Fisher getragen. Dessen stimmliches Spektrum schier unglaublich ist: Der Closer „In Parallax“ zeigt den ganzen Soul seiner Stimme, während er in „But She Was Not Flying“ Minuten lang Vollgas gibt, schreit, durchdreht, fast wie im Wahn singt. In diesen Momenten erinnert der musikalische Vortrag der Algiers durchaus  an eine Gospel-Predigt, die dem Hörer mitreißt. Erst kurz vor Schluss nehmen Algiers mit „Games“ ein paar Gänge raus und liefern eine zerbrechliche Soul-Ballade ab, mit der man an diesem Punkt nicht mehr gerechnet hat. Zeit zum  Durchatmen.

Soul in der Stimme, Punk in der Musik

Egal wie man es nennt, ob Neo-Gospel, Soul-Punk, Doom-Soul oder Post-Neo-Gospel-Punk. Algiers haben mit ihrem Debütalbum einen Sound kreiert der schwer zu beschreiben oder zu greifen ist. Dessen Einflüsse auf den ersten Blick konträr vorkommen, aber dennoch (oder vielleicht gerade deshalb) perfekt ineinander greifen und funktionieren. Ebenso relevant wie der Sound sind die politischen Themen die Algiers ebenso überzeugt wie inbrünstig vortragen. Ihr Debütalbum ist somit mehr als verdient unsere Platte des Monats Juni.

„Algiers“ von Algiers ist am 29. Mai 2015 auf Matador Records erschienen.

Platte des Monats

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